Vom 8.2.-10.2.2023 fand am LG das Projekt 'Generation Zukunft' statt, in dem unsere Schüler*innen der 9. Jahrgangsstufe und das P-Seminar 'Der nachhaltige Kleiderschrank' der Q11 vom Team des Fashion Councils aus Berlin etwas über das Thema Mode und Nachhaltigkeit, die soziale Seite der Modeindustrie und die verschiedenen Berufsmöglichkeiten im Bereich Mode lernen durften.
Los ging es am Mittwoch mit grundlegenden Informationen zur Modeindustrie, deren Ausmaßen und ihrem Einfluss auf die Umwelt. So lernten die Schüler*innen, dass die Textilindustrie z.B. jährlich rund 2,1 Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß verursacht. Der Verbrauch an Wasser, Rohstoffen, Energie und Chemikalien ist ebenfalls enorm. Wenn die großen Fast-Fashion- und Ultra-Fast-Fashion-Unternehmen jedes Jahr mehr als 24 Kollektionen mit je 150-300 Teilen im Schnitt herausbringen, dann ist klar, dass da etwas schief läuft! Auch das viele Plastik, das inzwischen in ca. 60% unserer Kleidung steckt (in Form von Polyester und anderen Fasern), ist ein großes Problem. Nicht zuletzt entsteht dadurch Mikroplastik, das unsere Gewässer belastet. Die bergeweise anfallenden Textilabfälle sind ebenfalls noch ein ungelöstes Problem. Nicht verschweigen darf man außerdem den hohen Pestizid- und Herbizideinsatz, der z.B. bei der Produktion von Baumwolle anfällt. Überall im Herstellungsprozess bzw. entlang der Lieferkette gibt es Bereiche, in denen wir dringend bessere Lösungsansätze finden müssen. Die ursprünglich gute Idee von Fast Fashion, nämlich erschwingliche Mode für alle zu machen, ist also ziemlich ausgeartet und hat jede Menge Nebenwirkungen für uns und unsere Umwelt gebracht.
Was jede/r einzelne von uns tun kann, bzw. schon tut, um einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Mode zu leisten, stellte den Abschluss des ersten Tages dar. Und das ist eine ganze Menge: Secondhandkleidung kaufen und auf Flohmärkte gehen, Kleidung selber wieder verkaufen, Kleidertauschpartys machen, kaputte Kleidung selbst reparieren oder umgestalten (s. Upcycling-Nähkurs am LG), überlegen, was man wirklich braucht, nicht jedem Trend nacheifern, auf nachhaltig produzierte Teile achten, mehr Basics kaufen, die lange halten und gut kombinierbar sind, oder einfach mal eine E-Mail an ein großes Modeunternehmen schreiben und nachfragen, wie nachhaltig deren Kleidung eigentlich produziert wird, etc. – die Liste ist lang! Man muss sich nur immer wieder daran erinnern.
Am zweiten Tag lernten die Schüler*innen, dass es neben der Umweltzerstörung auch jede Menge soziale Probleme in der Modeindustrie gibt. Das Beispiel vom Einsturz des Rana Plaza Fabrikgebäudes in Bangladesch 2013 und die vielen Todesopfer, die dabei völlig sinnlos gestorben sind, haben noch einmal eindringlich veranschaulicht, dass es sich bei der Produktion immer noch um eine Form der modernen Sklaverei handelt. Das Beispiel des Experiments mit dem „2 Euro T-Shirt“ von Fashion Revolution hat anschließend gezeigt, dass es einen großen Unterschied macht, wenn die Kund*innen wissen, WER ihre Kleidung unter welchen UMSTÄNDEN produziert hat (mehr dazu: Hashtag „whomademyclothes“). Wissen und Informationen sind also unumgänglich auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und zum Umdenken der Konsument*innen. Das hat das Video mit dem sozialen Experiment deutlich gemacht.
Wir haben gesehen, dass wir es unbedingt schaffen müssen, dass Mode wieder das wird, warum wir sie eigentlich lieben: Wir möchten uns damit eine Identität geben, wir wollen unsere Persönlichkeit ausdrücken, sie soll Spaß machen, wir kaufen Mode wegen ihrer Funktionalität, sicher auch wegen Trends und nicht zuletzt, um unsere soziale und kulturelle Zugehörigkeit zu signalisieren. Mode wird ja von vielen Bereichen beeinflusst: Von der Musik, von Filmen, von der Kunst, von Technologie und Politik, um nur ein paar der Einflussgrößen zu nennen.
Wir brauchen also dringend ein starkes und funktionierendes Lieferkettengesetz. Seit Anfang 2023 haben wir jetzt endlich eines in Deutschland. Es wird sich aber erst noch zeigen müssen, wieviel es bringt. Dass man es nicht den Produktionsländern allein überlassen kann, wie dort mit den Arbeiter*innen umgegangen wird, und ihnen die alleinige Verantwortung dafür aufbürden kann, ist jedenfalls klar. Wir Menschen in den Industrieländern haben mit unserer globalen Vorrangstellung auch die moralische Pflicht, nicht nur global überall den größtmöglichen Profit für uns selbst herauszuschlagen, sondern wir müssen uns auch für die richtigen sozialen Standards und den entsprechenden Umweltschutz entlang der Lieferkette einsetzen. Das müssen wir bei uns, also auf der Seite der großen Unternehmen regeln, damit es funktioniert.
Am dritten Tag haben die Schüler*innen sich dann ganz konkret angeschaut, welche Berufsmöglichkeiten es entlang der Lieferkette in der Textil- und Modeindustrie gibt, in denen man den Wandel hin zu einer nachhaltigeren Modeindustrie mitgestalten kann. Sei es, als Trendforscher*in, als Produktgestalter*in, als Chemielaborant*in oder als Modejournalist*in – die Möglichkeiten sind ganz schön vielfältig! Es müssen z.B. neue Materialien und Produktionswege gefunden werden, um die Industrie weg von einer linearen, hin zu einer Kreislaufwirtschaft umzugestalten. Es muss Journalismus betrieben werden, der die richtigen Themen behandelt. Es müssen Produkte gestaltet werden, die langlebig und nachhaltig sind, etc. Dass es in diesem Bereich eine Menge inspirierender Persönlichkeiten gibt, haben wir auch gelernt. Beispielsweise gibt es inzwischen ein Ersatzmaterial für Leder aus Ananas, das von Carmen Hijosa, einer ehemaligen Chemielaborantin, erfunden wurde, die inzwischen ihr eigenen Unternehmen führt. William Fan ist ein Designer mit Basis in Hongkong und Berlin, der sich für das geschlechterneutrale Design seiner Kleidung auszeichnet und der moderne Elemente mit ganz viel alter asiatischer Handwerkskunst kombiniert. In den Onlinemodulen, die wir als Begleitmaterial zum Projekt bekommen, werden die Schüler*innen anschließend noch mehr über inspirierende und wichtige Persönlichkeiten in diesem Bereich erfahren.
Das Projekt war insgesamt sehr abwechslungsreich und informativ und die drei Module haben direkt Lust gemacht, sich selbst noch mehr zu engagieren und bei der Transformation der Modeindustrie hin zu mehr Nachhaltigkeit mitzumachen. Die LG-Schüler*innen im Upcycling- Nähkurs und das P-Seminar „Nachhaltiger Kleiderschrank“ sind da ja bereits ganz konkret dabei!
Besonders interessierte Schüler*innen der 9. Klassen können am Ende außerdem noch bei einem Test mitmachen, wodurch die zwei besten der Schule dann im September die Chance erhalten werden, mit zur Konferenz „Fashion Zukunft“ in Schottland zu fahren. Dort werden sie an spannenden Workshops und Diskussionsrunden zum Thema Mode, Nachhaltigkeit und Zukunft teilnehmen. Wir sind schon gespannt, wer das LG da vertreten wird :-)
J. Alexander